Es geht um Ausdruck. Je mehr und je besser ich mich über Musik ausdrücken kann, umso weniger fühle ich mich gefangen in mir. Verbundenheit entsteht und Einsamkeit löst sich auf. ...
Zu lernen selbst einen Weg und einen Zugang zum Kind zu bekommen, egal ob äußere oder innere Kinder, da liegt ein Schlüssel und ein Schatz verborgen. Diese Lebendigkeit die uns unsere Kinder zeigen, stößt doch oft einen Teil in uns an den wir selbst nicht leben oder uns versagen zu leben, zu lieben und zu zeigen. Das endet nicht selten in einer inneren Unbeweglichkeit bis hin zur Depression. Und da kommt ein Musikinstrument ins Spiel. Ein Instrument so einzubauen, so zu integrieren, dass es ein Teil von uns wird mit dem wir uns ausdrücken, verständigen und kommunizieren können und welches wir nicht mit Gedanken, nicht mit dem Kopf steuern, sondern das uns intuitiv leitet, anleitet und uns Lösungen und Erkenntnisse bietet und dadurch plötzlich Sinnhaftigkeit entsteht, finde ich so wichtig. Und auf einmal gibt es einen Punkt. An diesem Punkt, dem Krea – Tief – Punkt entsteht plötzlich etwas Neues. Wir werden selbst zum Schöpfer. Da gibt es kein Vergleichen, keine Konkurrenz, keine Zwietracht oder Neid. Etwas zu übernehmen was schon da ist macht, glaube ich, nicht wirklich glücklich.
Sei wie du bist. Einzigartig.
Wenn wir lernen uns durch ein Instrument auszudrücken, uns zu fühlen, das Fühlen durch das Instrument zulassen zu können, da es vielleicht in realen Beziehungen zu gewagt und zu gefährlich erscheint aufgrund unserer Erfahrungen und Prägungen aus der Kindheit, öffnet sich eine Tür zu uns selbst. Wir merken dass wir lebendig sind und diese Lebendigkeit erfüllt uns mit Sinnhaftigkeit in allen Sinnen. Sensitiv.
Ich sehe mich noch als kleinen Jungen auf einer großen bunten Sommerwiese suchend nach Heuschrecken. Das ist für mich Sensitivität. Ich war gar nicht mehr anwesend, kein Betrachter dieses Bildes, sondern ganz drin. Einfach nur DA. Ich war aufgelöst und war selbst die Wiese und die Heuschrecken und die Blumen. Und genau so ist es mit der Musik. (Ich habe mal vor vielen Jahren gesagt, das wenn ich mal unterrichten sollte, der Unterricht für mich und die Schüler auf einer Sommerwiese beginnt, bei den Marienkäfern. Denn da spielt die Musik;)
Ich sehe mich noch als Kind wie mich diese eigenartigen Töne begeisterten die aus meiner Triola (Spielzeuginstrument) mit den bunten Tasten herauskamen. Die Töne flogen hin und her im Zimmer. Ich lauschte ihnen hinterher bis sie in der Vergangenheit verschwanden. Oder wie ich mit 11 Jahren mit völliger Hingabe vor meinem damaligen Spulentonbandgerät (modern ausgedrückt – YouTube) saß und mir Ton für Ton aus einem Lied heraushörte und es nach und nach auf meiner Gitarre umsetzte. Und heute sehe ich einen 7-jährigen Schüler vor mir sitzen, Zunge raus nach links oben gedrückt, krampfhaft sich durch die Saiten, die ihm wahrscheinlich wie ’n Haufen Spagetti erscheinen müssen, kämpft und vollkommen wach und da ist. Da sehe ich mich selbst wieder als dieses Kind mit den leuchtenden Augen das durch die Sommerwiese streift oder den Tönen aus der Triola hinterherschaut wie sie sich in die Ewigkeit verlieren und sich auflösen, denselben Ausdruck von Begeisterung und Glückseligkeit im Gesicht. Da gibt es nichts drum herum. Da ist man nur noch Geist (heißt ja nicht umsonst Begeisterung). Diese Begeisterung, die bei Kindern noch wesentlich einfacher zu wecken ist als bei Erwachsenen, diese zu wecken finde ich so wichtig. Wenn ich selbst diese Begeisterung besitze sind für diesen Moment alle Aggressionen, alles Wehren, alles „gegen Etwas zu sein“, alles „nicht wollen“ oder auch „wollen“, verschwunden. Da passiert nur noch Einlassen, Zulassen, Hingabe an das was ist. Der Augenblick der Absichtslosigkeit.
Diese Augenblicke im Leben finde ich so kostbar. Im Unterricht diese Augenblicke mit den Schülern zu erleben und an die Schüler weitergeben zu dürfen, das sie sie nicht nur auf ihrem Instrument umsetzen können, sondern auch im alltäglichen Leben für sich selbst und in Beziehungen zu anderen sich wahrhaftig einlassen zu können, ist mir ein großes Anliegen. Das ist ein Weg für mich der mich selbst begeistert und glücklich macht.
Was nützt es mir und den Schülern die Technik und immer schnelleres Spielen beizubringen und letztlich nicht wirklich etwas damit anfangen zu können, weil die Kommunikation fehlt, sie gar nicht offen sind und die Angst vorm Versagen so groß ist. Es bedeutet ja auch nicht wenn ich mich mit jemand unterhalte, das umso schneller und höher ich rede der andere mich umso besser versteht. Leistungsdruck und Spielen schließen sich gegenseitig aus (ich glaub das hab ich schon im Sandkasten gewusst). Wenn ich ein 14-jähriges Mädchen sehe, das zitternd auf der Bühne steht und ein Lied über ihren verstorbenen Vater singt und dabei nicht über die Ausbildung, die richtige Technik und das Wissen über die ganzen Zusammenhänge in der Musiktheorie verfügt, aber die Menschen zu tiefst auf einer Ebene berührt, welche zu einer Verbundenheit und einem großen Mitgefühl führt, dann ist für mich der Sinn erfüllt.
Wenn die Schüler aus der Unterrichtsstunde gehen mit einem Gefühl durch die Musik, durch das Lernen etwas an Verbundenheit, Zustimmung, Begeisterung und ein Stück mehr Selbstvertrauen gewonnen zu haben, weil sie sich trauen, hat die Stunde einen Sinn und ich meine Aufgabe als Lehrer, als Musiker erfüllt. Ich möchte aber keinesfalls das der Eindruck entsteht, dass mir die Technik und die Theorie nicht auch wichtig wäre. Wenn ich den Schülern nicht die Technik und die theoretischen Zusammenhänge beibringen würde, brauchte ich ja keinen Unterricht zu machen. Das ist ja klar. Aber da ist so viel mehr und mir erscheint es oft nicht ausbalanciert, bzw. kann man ja unglaublich viel an Technik und über theoretisches Wissen verfügen, nicht aber über die Fähigkeit sich damit zu verständigen, sich auszudrücken und eine Verbundenheit zu erzeugen. Und dann sitzt man in einem Gefängnis fest.
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